„Schreibe doch mal einen Praktikumsbericht, damit du mal mit ein paar Vorurteilen da draußen aufräumen kannst.“ – Das ist also meine Aufgabe für die kommenden Zeilen, denn es gibt wahrlich genug Vorurteile über die Abgeordneten und den Deutschen Bundestag.
Das Praktikum im Abgeordnetenbüro von Herrn Kolbe begann am Montag einer Sitzungswoche Ende Februar 2012. Zunächst wird man einfach erschlagen, wenn man ins Paul-Löbe-Haus, dem Arbeitsplatz eines Großteils der Abgeordneten, eintritt. Ein riesiges Gebäude aus Beton und vor allem viel Glas. Dank der Ausführungen von Marian Wendt, Herrn Kolbes Mitarbeiter in Berlin, der sich gut mit den Institutionen und geschichtlichen Ereignissen der Bundesrepublik, aber auch der Berliner Stadtgeschichte, auskennt, kommt man sehr oft ins Staunen, verliert aber auch den Überblick nicht allzu sehr. 7000 Menschen arbeiten in Berlin alleine für den Bundestag. Insgesamt haben jedoch etwa 20.000 Menschen einen sogenannten Hausausweis, der für den Zutritt zu den Gebäuden des Deutschen Bundestages berechtigt. Ein solcher Hausausweis muss natürlich auch für ein fünfwöchiges Praktikum organisiert werden, und so führte mich meine erste Arbeitshandlung in die Ausweisstelle des Parlaments. Hier fühlte man sich als regelmäßiger Behördengänger durchaus heimisch, denn die Hürde zum Hausausweis bestand in Nummer ziehen und Warten.
Nachdem ich meinen Ausweis nach einer zweistündigen Wartezeit dann auch erhalten hatte, führte mich Herr Wendt in die Kantine der Abgeordnetenmitarbeiter. Auch wenn man dort ab und an Journalisten des ARD-Hauptstadtstudios oder manchmal sogar Bundestagsvizepräsidenten trifft, so ist es an sich doch nur ein ganz normaler Ort, in dem die Mitarbeiter ihr Mittagessen zu sich nehmen und, wie viele andere Arbeitnehmer auch, über Politik diskutieren.
Das Leben im Büro eines Abgeordneten besteht jedoch, wie das die letzten Abschnitte vermuten lassen, nicht nur aus Warten und Essen. Vielmehr geht es um normale Büroarbeit: Dazu gehören das Verfassen und Beantworten von Bürgerbriefen, Gratulationen, Anfragen an Ministerien oder der Austausch mit Kollegen. Der Tagesablauf des Abgeordneten in Berlin muss koordiniert und vorbereitet werden. Viele Themen müssen recherchiert und präzise zusammengefasst werden.
Natürlich warten auch „typische“ Praktikantenaufgaben im Bundestag. Das Kopieren, Faxen, Lochen oder Heften müssten aber doch auch so gemacht werden – als Praktikant hat man die Möglichkeit während dieser, zugegebenermaßen eintönigen, Arbeiten die Dokumente zu lesen und so einen tieferen Einblick in die Arbeitweisen des Bundestages zu erhalten. Herrn Kolbes Spezialgebiet sind die Finanzen, was natürlich in der grade stattfindenden Euro-Krise einen sehr spannenden aktuellen Einblick bot.
Aber das Leben eines Abgeordneten spielt sich nun mal nicht nur im Büro ab, und Herr Kolbe bot mir einige Möglichkeiten mit ihm das politische Leben in Berlin zu entdecken. Sei es ein Mittagessen in einer osteuropäischen Botschaft, die Teilnahme an Gesprächen mit dem Wirtschaftsrat der Union oder das Erlebnis, einen Parlamentarischen Abend zu besuchen – die Verknüpfung zwischen Politik und Wirtschaft.
Während meiner fünf Wochen in Berlin erlebte ich vier Sitzungswochen, was wohl die interessanteste Zeit in einem Abgeordnetenbüro ist. Dienstag morgens findet die Finanz-Arbeitsgruppe statt, das Treffen aller Unionsfinanzpolitiker, in dem die Themen des Finanzausschusses am Mittwoch besprochen und vorbereitet werden. Hier wird auch die Position der Fraktion zu finanzpolitischen Themen diskutiert und ausgelotet. Die Abgeordneten haben hier die beste Möglichkeit ihre eigene Meinung zu äußern, weil sie sich in einer sehr kleinen Runde befinden.
Der Finanzausschuss ist, mit den anderen Ausschüssen des Deutschen Bundestages, das Herz des deutschen Parlamentarismus. Nicht alle Abgeordneten können Experten in jedem Fachgebiet sein und auch die Menge an Dokumenten, die täglich im Büro eintrudeln sind beim besten Willen nicht zu lesen. Deswegen gibt es Ausschüsse, die meist parallel zu einem Ministerium bestehen und sich mit Anträgen und Gesetzesinitiativen aus diesem Bereich beschäftigen. Der Ausschuss soll dem Bundestag einen Abstimmungsvorschlag zu einem Gesetz geben, damit verschiedenste Themen in vergleichsweise kurzer Zeit im Plenum abgestimmt werden können.
Donnerstag und Freitag sind die Plenartage im Bundestag, an denen Debatten geführt und Gesetze verabschiedet werden. Wobei natürlich auch hier die Abgeordneten Gesprächstermine oder Diskussionsrunden haben, an denen sie teilnehmen – das erklärt auch den manchmal halbleeren Plenarsaal.
Das Praktikum im Büro von Herrn Kolbe war eine spannende und interessante Erfahrung. Ich habe einen guten Einblick in die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten und seines Büros gewonnen und habe diese Zeit wirklich sehr genossen.
Der Deutsche Bundestag mit seinen Abgeordneten scheint manchmal sehr fern zu sein von der Welt der Bürger. Doch zeigt sich im Gespräch mit den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern, dass sie sich ihrer Aufgabe und Verantwortung bewusst sind, Vertreter aller Bürger zu sein.
Benedict Witzenberger