Mircea-Cezar Lazar-Zahacinschi (IPS/Rumänien) März - Juli 2011

Zum Dank gab es für Herrn Lazar-Zahacinschi (l.) den Bildband \
Zum Dank gab es für Herrn Lazar-Zahacinschi (l.) den Bildband \"Der 17. Deutsche Bundestag\" vom Abg. Manfred Kolbe (r.)
Zum nunmehr 4. Mal in Folge nahm der nordsächsische Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe (CDU) am Programm "Internationales Parlaments Stipendium (IPS)" des Deutschen Bundestages teil. In diesem Jahr unterstützte der Rumäne Mircea-Cezar Lazar-Zahacinschi die arbeitet im Abgeordnetenbüro. Seinen Erfahrungserbicht können Sie hier lesen:

Wie könnte ich wirklich das Internationale Parlaments-Stipendium Programm beschreiben? Die Wörter fallen mir nicht so leicht ein. Schöne Adjektive wie “toll, einzigartig, wunderbar, aufregend, Spaßmachend, süchtig, verwirrend” passen gut ins Bild, aber am Ende stellt man fest, dass der Begriff, der alles was ab März passiert ist, nicht zu finden ist. Vielleicht hat man ihn sogar noch nicht erfunden. Ich werde von daher es nicht versuchen und überlasse die Aufgabe einem potentiellen zukünftigen IPS-ler mit mehr Phantasie.

Was ist dann das Internationale Parlaments-Stipendium? Das äußerliche “Skelett”, wenn ich das Wort benutzen darf, setzt sich aus verschiedenen Teilen. Im Vordergrund steht das Praktikum im Büro eines deutschen Bundestagsabgeordneten, der in meinem Fall, Herr Manfred Kolbe direktgewählter Abgeordneter aus Nordsachsen, war. Dazu kommen zusätzlich eine Reihe von Veranstaltungen, Stiftungsreisen, Stiftungsnachmittagen und sogar die Möglichkeit an einer Berliner Universität zu studieren, hinzu. Aber alles das kann man von den Broschüren entnehmen, die in allen an dem Programm beteiligten Ländern verteilt werden.

Aber das interessiert ernsthaft gesagt, keinen Mensch. Das Programm ähnelt sich ein bisschen dem Reichstagstaggebäude. Draußen sieht man die aus dem 19.Jahrhundert stammende prunkvolle, kaiserliche Fassade, mit Wappen und Statuen und sogar einer Krone geschmückt. Wenn man es nicht wüsste, könnte man glauben, dass es sich dabei um ein Museum oder eine Universität handelt. Aber wenn man hineintritt, wenn man sich die Räume, die Büros, das Hin und Her des Menschenverkehrs, die bunten Besuchergruppen und die grau oder schwarz angezogenen Abgeordneten, Minister, Referatsleiter anschaut, verliert man schnell das Gefühl eines Besuches einem sakralen Denkmal einer glanzvollenden Vergangenheit.

So ist es auch mit dem Programm. Ein Praktikum im Büro eines Abgeordneten, Veranstaltungen bei den politischen Stiftungen, Vorlesungen, alles hat man schon gehabt.  Ihre Zusammenstellung, sogar enge Einpackung in lediglich fünf Monaten, die Menschen, die du manchmal kurz manchmal länger kennen lernst,  die Mitarbeiter mit dem du täglich arbeitest, die Mitstreiter - die anderen am Anfang verängstigten Kollege aus anderen Ländern - verleihen dem Programm sein wahres Gesicht.

Es kommt mir irgendwie schwer an, meinen Werdegang zum IPS-ler darzustellen. Vielleicht, weil ich es selbst nicht weiß. Als Student der Politik und Geschichte schien es im nachhinein als einen logischen, normalen Schritt, aber es ist nicht so. Ich wollte zunächst lernen, wie die politische Arbeit hinter der Bühne vollzieht. Es war mir bewusst, das die ritualisierten Verfahren, die im Plenum regelmäßig stattfinden, nicht die reale Politik wiederspiegeln. Für mich war es interessant die stummen Verhandlungen zu hören und zu sehen und das Hin und Her der Kompromissfindung unmittelbar zu erleben. Gut, in nachhinein weiß ich, dass mein Wunsch schwer zu verwirklichen ist und dass die Anschauung der Veranstalter des Programms ist, dass man das Wasser trinken soll, das der Prediger empfiehlt und nicht den Wein, den er trinkt.

Am 1. März sind wir in Berlin angekommen und nach 2 Wochen von Schulung, Veranstaltungen, Gespräche mit der Bundestagsverwaltung,  Versuche den besten Weg zur Arbeit zu finden, die Entdeckung unseres “Kiezs” u.a., wurde uns mitgeteilt bei wem wir unser Praktikum machen werden. In meinem Fall war er einen für mich noch unbekannten Abgeordneter aus Nordsachsen, Manfred Kolbe vom Finanzausschuss. Ich habe dann das Büro zwei mal besucht, bevor ich die Arbeit angefangen habe.

Hier ist vielleicht die Stelle für eine kleine Erzählung. Bei meinem zweiten Besuch in einer Nicht-Sitzungswoche las mein Büroleiter sehr entspannt die Berliner Zeitung. Er scheinte nichts zu tun zu haben und die Zeit war nicht so vorangeschritten (etwa 15 Uhr). Wir hatten schon in unseren kleinen IPS-Kreisen über unsere erste Begegnungen mit unseren zukünftigen Mitarbeitern und alle meine IPS-Kollege hatten mir erzählt wie viel Arbeit von ihren Büros ihnen “versprochen” wurde. Als ich den anderen zuhörte, dachte ich an meiner Erfahrung und dachte dass ich mich halt in den nächsten 5 Monate langweilen werde. Allerdings, wie man unter lesen wird, hat sich mein erster Eindruck nicht bestätigt.

Die angeblich einfachsten Dinge waren, in den ersten Tagen, große Herausforderungen. Von der ordentlichen Erledigung von Schriftverkehr und Sekretariatarbeit bis zur wissenschaftlichen Recherche, die Vorbereitung einiger Ausschusssitzungen, die Beantwortung von Bürgerbriefen und -anfragen, das Erlernen von mit dem Finanzbereich gebundenen Fachbegriffen, Strukturen, Institutionen, die Umstellung auf einem wendt´schen ordentlichen Arbeitsstil (Zur Erklärung: Marian Wendt war für die Praktikumszeit meinen Bürochef, Betreuer und Mitarbeiter), waren die Tage meines Praktikums spannend, abwechslungsreich, manchmal zu lang und manchmal zu kurz, aber schließlich war die Erfahrung einzigartig.

Eine der spannendtesten Erlebnisse für eine Nicht-deutsch Muttersprachler ist mit einem Bürger aus dem Wahlkreis am Telefon zu sprechen. Ich hatte schon vorher einige Zeit in Deutschland verbracht und von daher war ein Gespräch mit einem Deutschen keine Herausforderung mehr, aber ich war “noch nicht fließend” im sächsischen Dialekt. Auf die Dauer haben wir allerdings einen ungeschriebenen Abkommen abgeschlossen. Sie haben nun mehr Hochdeutsch geredet und ich eignete mich langsam und eher erfolglos den Akzent an.  Die Bürgeranfragen war es für mich auch einen der wichtigsten Teil des Tages, da wenn ich eine Antwort an einem Bürger schrieb oder wenn ich, insofern ich könnte, seine telefonische Frage beantworten könnte, hatte ich am Ende des Tages ein tolles Gefühl. Am ersten Tag hat mir mein Bürochef, Marian, gesagt, dass man wegen der Sicherheitkontrolle und Straßensperrungen spüren kann, dass man im Zentrum der republikanischen Macht arbeitet. Es war für mich nie so, sondern als jemanden der dort war für anderen zu arbeiten, ihnen das Leben leichter zu machen oder sie bei ihren täglichen Abläufen zu unterstützen. Ich habe mich langsam mit dem Wahlkreis, mit den Bürgern und ihren Anliegen identifiziert, ich wurde ein (Nord)Sachse und ein nicht-eingeschriebener CDU-Mitglied,  ich arbeitete für ihre Bedürfnisse und Ziele. Ich wurde kurz gesagt nicht mehr nur einen Praktikant, sondern einen gleichberechtigten Mitarbeiter.

Wahlkreisbesuch

Mitte Mai wurde meine tägliche Routine im Büro unterbrochen, als ich einen Wahlkreisbesuch unternommen habe. Ein solcher Besuch ist schon im Programm eingeschrieben, aber der Anlass kann unterschiedlich sein. In meinem Fall war er mit dem Europatag gebunden, eine auf einen 2007 zurückzuführenden Vorschlag der Bundeskanzlerin, dessen Ziel die Begeisterung der Schüler für die Europäische Union ist. An dem Tag besuchen Minister und Bundestagsabgeordnete ihre Wahlkreise und zusammen mit Schülern thematisierten sie verschiedene Aspekte der EU, von ihrer Gründung bis zu aktuellen Themen wie die Eurokrise. Mein Beitrag diesbezüglich war zunächst die Vorbereitung der Vorträge, die der Abgeordnete gehalten hat. Darüber hinaus konnte ich ihn zu allen Veranstaltungen und Terminen, wo er eingeladen wurde, begleiten und auf diesen Weg konnte ich einen Eindruck in die Arbeit eines Wahlkreisbürosmitarbeiter gewinnen. Was zuerst überrascht, wenn man mit Bürgern aus dem Wahlkreis redet, ist wie unterschiedlich die politischen Sichtweise zwischen Berlin und dem Wahlkreis sind. In der Hauptstadt betrachtet man politische Angelegenheiten von einem mehr abstrakten Sichtpunkt, d.h., die alltäglichen Bedürfnisse, Anliegen, Problemen der durchschnittlichen Bürger gehen irgendwie unterwegs verloren. Eine Straße z.B., die für einen Ort von vitaler Bedeutung ist, wird in Berlin als lediglich einer von vielen Strecken, die die Bundesrepublik durchkreuzen. Von daher ist teilweise die oft erwähnte Politik-Verdrossenheit verständlich, wenn die Bürger fühlen, dass ihre Abgeordnete, trotz ihrer Einsatz, es fast nichts herbeiführen können.
An dieser Stelle soll ich mich auch für die Betreuung der Wahlkreismitarbeiterin Diana Müller herzlich bedanken. Dank ihr hatte ich am Ende ein viel besseres Verständnis der Wahlkreisanliegen als sonst.

Seminarreise

Das Programm wurde auch in der Zange der mit einem schönen politisch-korrekten Wort genannten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung leider gefangen und daraus ergab sich eine wesentliche, im Vergleich zu den vorigen Jahren, Kürzung der Seminarreise von 6 auf nur 2.
Zuerst waren wir in Oberfranken im Bundesland Bayern, genauer in Würzburg bei der Frankenwarte Akademie, wo wir die Arbeit der Friedrich-Ebert Stiftung als auch die kommunale Politik in zwei von der historischen und wirtschaftlichen Entwicklung her sehr unterschiedliche Städte, nämlich Würzburg und Nürnberg, näher kennen gelernt haben. Weiterhin sind wir auf aktuelle Themen wie, z.B. Arbeitsmarktpolitik in Deutschland zusammen mit Experten von dem jeweiligen Bereich eingegangen. Ein Monat später sind wir nach Gummersbach in der Nähe von Köln zu der Akademie der Friedrich-Naumann Stiftung gefahren und dort haben wir uns mit Themen wie die Bedeutung vom Liberalismus heute und was heißt es liberale Politik zu machen auseinandergesetzt. Die letzte Reise, die nicht gruppenmäßig vollzog, beschäftigte sich mit der Minderheitenfrage in Deutschland und dabei könnten wir verschiedene seit lange Zeit auf dem heutigen Gebiet Deutschland lebende Minderheiten mehr oder wenig unmittelbar kennen lernen.

Zum Schluss

Nach dieser mehr oder wenig ordentlichen Durchführung durch das Praktikum, wie ich es erlebt habe, wollte ich lediglich ein Paar Worte zum Schluss schreiben. Was ich am Ende des Praktikum mitnehme, ist nicht unbedingt eine besondere Einsicht in der Arbeit des Parlaments. Wie mein Mitarbeiter Marian Wendt, dem ich sehr dankbar für seine Geduld und vor allem seine lehrerischen Fähigkeiten bin, meinte, dauert es in der Regel etwa ein Jahr bis man wirklich die Verhältnisse und das wirkliche Hin und Her der Meinung- und des Schriftverkehrs zwischen Büros, Ministerien, Fraktion usw. gemeistert hat. Darüber hinaus kann ich nach einem 5 Monate Praktikum sagen, dass die theoretischen der Gesetzgebung bezüglichen Ansätze, die ich für meinen Auswahlgespräch auswendig lernen müsste, den realen Gesetzgebungsverfahren nur teilweise entsprechen. Nichtdestotrotz bleibt die tägliche Arbeit sehr spannend, da die Politik manchmal als sehr umständlich erscheint. In einem Tag reden man überall über Lybien und wie man am besten den Diktator entfernen kann, am nächsten ist das Thema völlig von der Öffentlichkeit verschwunden und die Energiewende und der Atomausstieg tritt im Vordergrund.

Als Praktikant sollte und, dank der ausführlichen Einführung am ersten Tag, konnte ich sowohl den Kopierer/Drucker als auch das Faxgerät betätigen, was mir, rein praktisch gesehen, einen wesentlichen Vorteil über anderen Studenten verschafft hat, die noch nicht die relativ komplexen Aufgaben mit diesen beiden Geräten gemeistert haben. Andersum benötigte ich mehrere Monate bevor ich mich von meinem alten eher chaotischen Arbeitsstil getrennt habe und mich lediglich zum Teil der Ordnungsinn meines Mitarbeiters aneignen konnte.

Zum Schluss soll ich mich bei der Auswahlkommission bedanken, die sie sich für mich entschieden habe, trotz wahrscheinlich ebenso guten anderen Bewerbern. Ihre Entscheidung hat mir eine einzigartige  Chance gegeben, wofür ich bin sehr dankbar. Die Erlebnisse, die gewonnene Erfahrung sowie die Menschen, die ich hier kennen gelernt habe, werden langfristig in meinem Gedächtnis bleiben.

Danke,
Mircea Lazar-Zahacinschi.


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