Gemeinsame Erklärung zur Abstimmung über den Europäischen Stabilisierungsmechanismus

Der Deutsche Bundestag hat heute über das "Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus" debattiert und in 2./3. Lesung in namentlicher Abstimmung darüber entschieden.

Die Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Manfred Kolbe und Klaus-Peter Willsch haben hierzu eine gemeinsame Erklärung über ihr Abstimmungsverhalten angegeben, welche sie hier finden:

Wir stimmen gegen das „Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“.


1.    Der bereits mit dem „Griechenland-Hilfegesetz“ eingeschlagene Irrweg einer Bekämpfung der zu hohen Staatsverschuldung durch eine noch höhere  Staatsverschuldung wird mit diesem Gesetz mit großem Tempo und drastisch erhöhtem Risiko für die deutschen Steuerzahler weitergegangen. Nach der Übernahme eines Haftungsrisikos in Höhe von 22,4 Milliarden Euro für Haushaltsfehlbeträge Griechenlands wird nunmehr den Deutschen ein zusätzliches Haftungsrisiko in Höhe von bis zu 150 Milliarden Euro für die Unterstützung weiterer Länder mit Haushaltsschwierigkeiten im Euroraum aufgebürdet.

2.    Die europäische Einigung ist eine großartige Leistung der Politik im Europa der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Währungsunion ist politisches Symbol der höchsten Ausprägungsstufe dieses Prozesses. Für uns Deutsche war es wichtig, die Erfolgsgeschichte der Deutschen Bundesbank durch die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank auf den gesamten Euroraum zu übertragen. Durch Errichtung des Stabilitätspaktes hofften wir Vorsorge dafür zu treffen, den gesamten Euroraum auf das Ziel der nachhaltigen Haushaltspolitik und der Preiswertstabilität zu verpflichten. In den europäischen Verträgen ist hierzu festgelegt, dass im Euroraum kein Staat für die Schulden des anderen aufkommen muss, ja nicht einmal darf („bail-out-Verbot“). Dies ist der Kern des Vertrauens in den Euro angesichts der sehr unterschiedlichen Volkswirtschaften in diesem gemeinsamen Währungsraum. Schon die vorgesehene Hilfe für Griechenland, erst recht aber die neu aufgerufene Summe verstößt offenbar gegen die Buchstaben, in jedem Falle aber gegen den Geist der gültigen Europäischen Verträge. So wird die langfristige Stabilität des Euro nicht gesichert, sondern nachhaltig gefährdet.

3.    Der Weg ist auch ökonomisch falsch. Man wirft dem schlechten Geld kein gutes hinterher. Der richtige Weg zur Lösung der griechischen Finanzkrise wäre ein Schuldenmoratorium und ein Teilverzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen. Dadurch trügen einerseits diejenigen Anleihengläubiger zur Sanierung Griechenlands bei, die teilweise spekulativ griechische Anleihen mit hohen Zinsen gekauft haben und deren erhöhtes Risiko sich jetzt realisierten. Andererseits hätte Griechenland alleine bei einer Teilentschuldung eine echte Chance, da die derzeitige über dem jährlichen Bruttosozialprodukt von 240 Milliarden Euro liegende Staatsschuld von über 300 Milliarden Euro nach Ansicht fast aller Experten nicht zu bewältigen ist.

4.    Am Sonntag, den 9. Mai 2010 hat der Europäische Rat für Wirtschaft und Finanzen unter der Beteiligung Deutschlands die Errichtung eines Finanzstabilisierungsmechanismus mit einem Finanzvolumen von 60 Milliarden Euro beschlossen. Dies hätte nach deutschen Recht nicht ohne vorherige Befassung des Deutschen Bundestages erfolgen dürfen. Die Einrichtung dieses Finanzstabilisierungsmechanismus verstößt gegen das „Bail-out-Verbot“ der Europäischen Verträge. Hier ist geregelt, dass weder die Gemeinschaft noch einzelne Mitgliedsstaaten für Haushaltsdefizite anderer Länder einstehen dürfen. Da für die Verwendung dieser Mittel nicht einmal der Einstimmigkeitszwang besteht, sondern mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird, kann eine Mehrheit von Haushaltsdefizitstaaten über die Verwendung dieser Mittel entscheiden.

5.    Nun soll durch Veränderung der Europäischen Verträge erreicht werden, dass Defizitsünder unter den Euroländern durch Stimmrechtsentzug und Ausschluss aus der Währungsunion bestraft werden können. Wer sich des langen Verfahrens für die endgültige Ratifizierung des heute gültigen Vertrages von Lissabon erinnert, wird zumindest einräumen, dass dies ein unabsehbar langer Weg sein wird, mit vielfältigen Risiken des Scheiterns (alle 27 Staaten müssen nach ihren Regeln zustimmen, u.a. Volksabstimmungserfordernis in mehreren Mitgliedsländern der EU).

6.    Weiterhin möchte man die Defizitsünder zukünftig in ihrem Haushaltsgebaren kontrollieren. Dazu ist nur anzumerken, dass wir als Deutscher Bundestag uns verbitten würden, dass die EU-Kommission in unser Budgetrecht eingreift. Wie können wir realistischerweise von den nationalen Parlamenten der „Defizitsünder“ erwarten, dass diese sich das gefallen lassen, wenn sie es mit einem einfachen Nein verhindern können? Nichts diszipliniert Haushaltssünder mehr als die Furcht vor Zinssteigerungen in Folge unsolider Haushaltspolitik. Genau dieses Instrument wird durch das vorgesehene Gesetz ausgehebelt.

7.    Wir können in der derzeitigen Situation der deutschen Staatsfinanzen dem Steuerzahler keine weiteren Belastungen in diesem Ausmaß zumuten, ohne die Einhaltung der gerade in das Grundgesetz aufgenommenen Schuldenbremse zu gefährden. Auch werden künftig notwendige Einsparungen in Deutschland kaum noch politisch zu vermitteln sein, wenn wir hier Garantien für ganz Europa in dreistelliger Milliardenhöhe übernommen haben.

8.    Der Euroraum wird durch den Haftungsverbund für Haushaltsdefizite anderer Mitgliedsstaaten zur dauerhaften Transferunion umgebaut. Das ist das Gegenteil von dem, was Bundeskanzler Kohl, Finanzminister Waigel und die gesamte CDU/CSU den Deutschen bei Aufgabe der D-Mark und Übergang zum Euro versprochen haben. Das ist das Gegenteil von unserer Überzeugung, dass Leistung sich lohnen muss. Dem können wir uns nicht anschließen.

Deshalb können wir diesen Weg nicht mitgehen.


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